Bäckerei 4.0 – Das ist die Bezeichnung für die Bäckerei der Zukunft. In Deutschland hält das Bäckerhandwerk eine lange Tradition inne. Mit Brot als eines der ältesten von Menschen zubereiteten Nahrungsmittel ist das Bäckerhandwerk zweifelsfrei eines der traditionellsten und beständigsten Handwerksberufe der Welt. Doch besonders in den letzten Jahren stehen Bäckereien und Konditoreien vor neuartigen Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Digitale Lösungen scheinen hierbei die Antwort auf diverse Probleme zu sein. Dabei besteht bestenfalls der Anspruch, Tradition und Digitalisierung miteinander zu vereinen. Aber wie genau sieht so ein Bäckereimodell der Zukunft aus?
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2014 wurde die „Deutsche Brotkultur“ von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe erklärt.
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Digitalisierung in Deutschland – Die Bäckerei 4.0
Musik hören wir über das Smartphone, Bankgeschäfte werden über das Web getätigt und das Einkaufen funktioniert ganz bequem vom Sofa aus – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Dies sind nur einige der Beispiele für digitale Dienste, die uns schon seit längerer Zeit tagtäglich begleiten. Unvermeidlich kommt auch das traditionsreiche Bäckerhandwerk mit der Digitalisierung in Berührung.
Der Begriff Digitalisierung hat keine eindeutige Definition, beschreibt im ursprünglichen Sinne aber das Umwandeln von analogen Informationen in digitale Formate. Heutzutage versteht man unter der Bezeichnung vor allem den digitalen Wandel, den die Digitalisierung durch Veränderungsprozesse in der Gesellschaft ausgelöst hat.
Bereits seit Jahren stiege das Interesse der Bäckereibranche an digitalen Lösungen, so Martin Reinhardt, Landesinnungsminister des württembergischen Bäckerhandwerks. Durch digitale Hilfsmittel kann in der Backstube beinahe jeder Arbeitsschritt digitalisiert und vernetzt werden. Das traditionelle Handwerk soll dabei nicht aufgegeben, sondern durch die zahlreichen Digitalhelfer angenehmer, nachhaltig und trotzdem sowie vor allem konkurrenzfähig gestaltet werden. Doch trotz der positiven Tendenz gibt es laut Bundeswirtschaftsministerium noch „Luft nach oben“, sich mit der Digitalisierung auseinander zu setzten. Steigende Konkurrenz, mangelnde Fachkräfte und neue Vorschriften sind nur einige der Gründe, die das Bäckerhandwerk zum Umdenken auffordern. Um Bäckerei- und Konditoreibetriebe für die Zukunft zu rüsten, werden diese digitalen Lösungen langfristig unabdingbar sein.
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Diskussionsthema Digitalisierung: Das sagt die Backbranche
Die Digitalisierung ist auch auf Fachmessen und Versammlungen ein heiß diskutiertes Thema. Auf der der iba, der führenden Weltmesse für Bäckerei, Konditorei und Snacks, tauschte sich die Bäckereibranche bereits 2018 zum Thema „digitale Helfer“ aus.
Die positive Tendenz der Digitalisierung in der Bäckereibranche sehen auch Vertreter der Südback, der Fachmesse für das Bäcker- und Konditorenhandwerk in Deutschland. Auf eben dieser Messe stellte der Direktor der Bundesakademie des Deutschen Bäckerhandwerks in Weinheim, Bernd Kütscher, digitale Lösungen für Bäckereien vor. Auch auf der Mitgliederversammlung der Landesinnungsverbände der Bäcker in Baden, Hessen, Südwest und Württemberg sowie der sich vereinenden ADB Südwest war Kütscher vertreten und gab in seinem Vortrag die dringende Empfehlung für alle Unternehmen, sich mit digitalen Lösungen zu befassen. Da die Konkurrenz sich immer weiterentwickelt und Kunden zunehmend mehr erwarten, sind laut Kütscher digitale Möglichkeiten wie Lieferdienste, Bestellsysteme und Instagram wesentliche Bestandteile für die Zukunftsfähigkeit von Betrieben im Zeitalter des technischen Fortschritts.
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Bäckerhandwerk: Entwicklung, aber in welche Richtung?
Trotz der stabil bleibenden Nachfrageverzeichnet die Bäckereibranche einen anhaltenden Konzentrationsprozess: In ganz Deutschland sank die Anzahl der Bäckereibetriebe von ca. 55.000 auf 10.500. Gleichzeitig steigt die Zahl an Neugründungen im Bäckerhandwerk. Diese Entwicklung liegt an der zunehmenden Anzahl von Großbetrieben. So ist vermehrt zu beobachten, dass aus vielen kleinen Einzelbetrieben wenige Betriebe mit mehreren Filialen werden. Das „Bäckereiensterben“ betrifft somit vor allem kleine regionale Anbieter, die von großen Konzernen sowie Supermärkten und Discountern druckvoll vom Markt verdrängt werden.

Große Handelsketten mit ihren eigenen Backstationen und Selbstbedienungsbäckereien bieten Backwaren zu Billigpreisen an. Damit können kleinere Bäckereien und Konditoreien oft nicht mithalten und müssen so enorme Umsatzeinbußen hinnehmen. Ein weiterer Grund für den Rückgang der Handwerksbäckereien ist der Mangel an Fachkräften. Das Interesse jüngerer Menschen an dem Erlernen eines handwerklichen Berufes geht seit Jahren zurück.
Neben diesen andauernden Problemen kommen immer wieder neue Hürden auf die Bäckereibranche zu. Ein aktuelles Beispiel ist die Corona-Pandemie. Michael Wippler, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks, erklärte zur Corona-Lage, dass „vor allem die Betriebe mit geschlossenen Café-Bereichen und mit Filialen an üblicherweise frequenzstarken Orten wie Bahnhöfen und Flughäfen erhebliche Einbußen erlitten“.
Auf diese Herausforderungen soll nun die Digitalisierung des traditionellen Bäckerhandwerks die Antwort sein. Doch wie sieht das konkret aus? Darüber sprach Bäckermeisterin Gerhild Fischer kürzlich mit dem MDR-Sachsen-Anhalt. Auch sie sah sich durch die Corona-Pandemie gezwungen, neue Wege zu gehen und ließ so eine App für das Bestellen von Brot und Brötchen entwickeln. Auf diese Weise konnte sie ihren Vertrieb optimieren und neue Kunden gewinnen, was ihr dabei half, während der Corona-Krise zu bestehen.
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Die Digitalisierung der Bäckerei – So kann es aussehen
Neben einer digitalen Bestelllösung, wie die von Gerhild Fischer, gibt es noch zahlreiche weitere digitale Möglichkeiten, die vermehrt in Bäckereien und Konditoreien Einzug finden.
Planung
Die Digitalisierung der Bäckerei fängt schon bei der Produktions- und Sortimentsplanung an. Dabei sollen Bedarfsanalysen und -prognosen das Bäckerhandwerk mittels künstlicher Intelligenz unterstützen. Diese helfen bei der Gewährleistung einer optimalen Warenverfügbarkeit, der Einhaltung von Zielretouren und der gesteigerten Umsatzgenerierung. Die digitalen Helfer beziehen Wetter, Feiertage und Ferienzeiten, Warengruppen sowie weitere einflussreiche Faktoren der Warennachfrage in die Prognose mit ein.
Wartung
Ein digitalisierter Prozess, der schon in vielen Bäckereien und Konditoreien zu finden ist, ist die leitungsgebundene Fernwartung. Sie ermöglicht Bäcker*innen genaue Analysen zu Betriebs- und Verbrauchsdaten, wie etwa der Energieeffizienz oder der Fehlerbehebung.
Verkauf
Neben einer Applösung können Brot und Brötchen auch über die eigene Webseite in einem Webshop angeboten werden. Die Kunden bekommen so die Möglichkeit, die Zutaten anzugucken und sind direkt beraten, welche Backwaren sie zum Beispiel aufgrund von Allergien nicht bestellen sollten. Bargeldloses Zahlen ist für viele Menschen zum Standard geworden. Anstatt einer schweren Brieftasche mit Münzen und Scheinen reicht heutzutage eine dünne Karte oder das Smartphone aus. Die Möglichkeit, bargeldlos zu bezahlen, ist nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie zu einem wichtigen Thema geworden und ist vor allem auch über einen Webshop variantenreich dazustellen.
Werbung
Ein häufig noch unterschätzter Aspekt in der Bäckereibranche ist die Internetpräsenz. Eine eigene Webseite und die Aktivität in sozialen Netzwerken sind notwendig, um das Image des Betriebs als attraktiver Arbeitgeber zu stärken und für Arbeitssuchende und Kunden auffindbar zu sein. Bestehende und neue Kunden können hierdurch gebunden werden und effizient zu aktuellen Anliegen, Angeboten und Neuigkeiten informiert werden. Die digitale Visitenkarte insbesondere in den sozialen Medien gibt authentische Einblicke in den Betrieb und wird immer häufiger erste Anlaufstelle für die Sucheingabe nach Unternehmen und Lokalitäten – weit vor dem Websiteaufruf.
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5 Vorteile der Digitalisierung für Bäckereien, Konditoreien sowie Kunden und …
Die soeben genannten Möglichkeiten zur Digitalisierung eines Betriebes bringen nicht ausschließlich für Bäcker*innen und Kunden zahlreiche Vorteile mit sich.
- Jährlich werden etwa 1,7 Millionen Tonnen Brot und Backwaren weggeschmissen. Durch die nachfragegerechte Steuerung der Warenmenge lässt sich die Retourenquote nachhaltig senken. Mittels verlässlicher Daten sinkt die Überproduktion, was zu weniger verschwendeten Lebensmittel führt.
- In vielen Betrieben werden Listen und Dokumentationen noch in analoger Form festgehalten. Mithilfe der Digitalisierung dieser Arbeitsschritte kann der hohe Aufwand maßgeblich verringert werden.
- Bargeldloses Zahlen, das Vorbestellen von Waren und Einsehen der Zutaten auf der Internetseite sorgen für eine positive Außenwahrnehmung des Betriebs und bieten dem Kunden ein optimales Kauferlebnis.
- Neben den Kosten wird durch die Digitalisierung in fast allen Arbeitsbereichen zweitaufwendiges Arbeiten gespart, wodurch am Ende mehr Zeit für das eigentliche Handwerk bleibt.
- Für große Handelsketten sind diese digitalen Maßnahmen oftmals schon der Standard. Durch die Nutzung digitaler Helfer im Bäckerhandwerk kann sich auch die Backbranche wettbewerbsfähig für die Zukunft aufstellen.
Wie diese digitalen Maßnahmen in der Praxis aussehen können, zeigt eine traditionsreiche Bäckerei im fränkischen Münchenberg in folgendem Video.
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Die Bäckerei als Branche zwischen Tradition und Zukunft
Durch den technischen Fortschritt, der nicht zuletzt durch die Pandemie an Vorschub gewonnen hat, hat sich in den letzten Jahren ein Wandel in der Bäckereibranche vollzogen. Mit Elementen wie digitalen Kassensystemen hat die Digitalisierung auch die Backstube erreicht und breitet sich jetzt weiter aus. Der Fokus liegt dabei klar auf der Entlastung von Bäcker*innen, der nachhaltigen Produktion und der Wettbewerbsfähigkeit von traditionellen Betrieben. Durch die digitalen Helfer sollen Bäckermeister*innen sich stärker auf ihre handwerklichen Tätigkeiten fokussieren können, sodass die Digitalisierung als Motor für die Zukunft der Tradition arbeitet.
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„Die deutsche Brotkultur hat einen hervorragenden Ruf weit über die Grenzen hinaus. Das Bäckerhandwerk steht für Tradition und Qualität. Ich liebe Traditionen, denn sie lehren uns aus der Vergangenheit vieles für die Zukunft. Deswegen ist es wichtig sie nicht zu verlieren.“
Almila Bagriacik (Schauspielerin, Tatort-Kommissarin und Botschafterin des Deutschen Brotes 2021)
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Jedes Unternehmen hat unterschiedliche Herangehensweisen an die aus dem technischen Fortschritt resultierenden Chancen und Risiken. Um mit der Zeit zu gehen und auf dem Markt langfristig überleben zu können, ist eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema Digitalisierung unabdingbar. Dennoch vollzieht sich diese digitale Transformation nicht über Nacht, es ist eine Reise, die von dem individuellen Digitalisierungsstand aus mit einer kontinuierlichen Entwicklung verbunden ist und die nicht allein bestritten werden muss.
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