Traditionelles Bäckerhandwerk: Es ist an der Zeit, laut zu werden!

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Das Bäckerhandwerk hat in Deutschland eine lange Tradition. Besonders die Vielfalt der deutschen Brotsorten sucht weltweit ihresgleichen. So ist es nicht wunderlich, dass sich ausländische Gäste bei ihrem Deutschlandbesuch gerne von unserem Brot verführen lassen. Dennoch ist besonders in den letzten Jahren zu beobachten, dass viele traditionelle Bäckereien mit zahlreichen Herausforderungen zu kämpfen haben und die Zahl der Handwerksbäckereien immer weiter sinkt. Zeitgleich lässt sich bedingt durch die Lockdowns der letzten zwei Jahre eine Veränderung im Konsumverhalten bei vielen Menschen beobachten – besonders im Hinblick auf einen höheren Qualitätsanspruch. Damit ist es für Bäcker*innen an der Zeit zu handeln, laut zu werden und die deutsche Brotkultur wieder in alter Stärke aufblühen zu lassen.

Brot ist allgemein unterbewertet. Es ist der Star und nicht nur der Träger für irgendeinen Belag.“

Brotsommelier Eric Stadelhofer aus Singen

Das Handwerk in Deutschland hat eine lange Tradition

Die Bedeutung des Brotes in Deutschland ist nicht nur hierzulande bekannt. Kurz bevor die deutsche Brotkultur in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen wurde, schrieb ein Autor für eine große amerikanische Nachrichtenseite voller Begeisterung von der Sortenvielfalt und urdeutschen Brotritualen. Zudem führte er ein passendes Beispiel auf, welches die Stellung des Brotes in Deutschland noch mal deutlich macht. Wir sind wahrscheinlich das einzige Land, schrieb er, in dem ein Brot die Hauptrolle in einer Fernsehserie spielt: Bernd das Brot.

In Deutschland widmen sich unter anderem der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e. V. mit den 16 Landesinnungsverbänden und der Akademie Deutsches Bäckerhandwerks sowie das deutsche Brotinstitut den deutschen Handwerksbäckern und der einzigartigen Brotkultur.

Die Handwerksbäcker*innen werden auf nationaler und internationaler Ebene von dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e. V. vertreten. Der im Jahr 1948 gegründete Verband sorgt zusammen mit den Landesinnungsverbänden und Bäckerinnungen für eine erfolgreiche Durchsetzung der Interessen der Mitgliedsbetriebe. Auf Landesebene leisten die Landesinnungsverbände den deutschen Bäcker*innen Hilfestellung in allen betriebswirtschaftlichen, technischen und rechtlichen Fragen.

Das vom Zentralverbund des Deutschen Bäckerhandwerks geschaffene deutsche Brotregister ist das erste Archiv seiner Art. Handwerksbäcker*innen, die Mitglied einer Innung sind, können ihre Brotschöpfungen in das Onlineregister eintragen, was es möglich macht, die deutsche Brotvielfalt erstmalig in konkreten Zahlen auszudrücken.

Bislang haben Innungsbäcker*innen über 3.200 Brotsorten in das Brotregister eingetragen.

Das Deutsche Brotinstitut hat es sich zum Ziel gesetzt, das Bild des deutschen Bäckerhandwerks und der Brotkultur in der Öffentlichkeit sowie in der Branche zu stärken. Zusätzlich soll das Thema Brot und dessen kulturgeschichtlicher Hintergrund vermittelt werden. Damit setzt es ein starkes Beispiel für die Erhaltung des traditionellen Bäckerhandwerks, besonders in Zeiten, wo die Branche mit vielen Herausforderungen zu kämpfen hat.

Der „angestaubte Ruf“ des Handwerks

Ronny Vogel ist Bäckermeister und bei der Handwerkskammer Oberfranken zuständig für die überbetriebliche Ausbildung. Er erklärt, dass das Bäckerhandwerk einen im wahrsten Sinne des Wortes angestaubten Ruf habe, den es aufzupolieren gilt, um die Attraktivität des Handwerks – besonders für die nachfolgende Generation – zu heben.

Besonders Nachwuchskräfte lassen sich nur schwer für den Beruf Bäcker*in begeistern. Hauptgründe sind unter anderem die frühen Arbeitszeiten sowie die schwere Arbeit, die mit dem Brotbacken einhergeht. „Viele meinen, anderswo ist es leichter. Aber da wird einem auch nichts geschenkt“, merkt Helmut Weißgerber vom Innungsverband des bayerischen Bäckerhandwerks an. Der Kulmbacher Obermeister Ralf Groß betont zudem: Bäcker*in sei ein Beruf, vielmehr noch eine Berufung, während die Arbeit beispielsweise bei einem Logistikunternehmen nur ein Job sei. Genau dieses muss an die junge Generation vermittelt werden, denn im Gegensatz zu anderen Jobs haben Schüler*innen wahrscheinlich nur geringe Berührungspunkte mit dem Beruf des Bäckers. Pandemiebedingt mussten zudem viele Berufs- und Ausbildungsmessen abgesagt werden. Unternehmen anderer Branchen werben viel über die sozialen Medien, zeigen ihre Vorteile als Arbeitgeber*in auf und präsentieren ihre Stellenanzeigen online im besten Licht. Sie treffen junge Menschen damit genau dort an, wo sie am meisten nach freien Stellenangeboten suchen.

Der angestaubte Ruf eilt auch dem Brot voraus. Schlagzeilen wie „Brot ist ungesund!“ und „Brot macht dick und krank!“ verdrängen das Brot zunehmend von den Tellern der Menschen. Die Aufmerksamkeit der Konsumentinnen und Konsumenten sollte vielmehr auf die vielfach erforschte ernährungsphysiologische Bedeutung des Brotes mit seinen – für den Körper lebensnotwendigen – langkettigen Kohlenhydraten gelenkt werden. Als wichtiges Grundnahrungsmittel sollte es von keinem Tisch wegzudenken sein, besonders wenn es mit viel Mühe und Arbeit jeden Tag von Handwerksbäcker*innen frisch gefertigt wird.

Deutsches Brot: Fokus auf Qualität

Brot zu günstigen Preisen, daneben Tiefkühlprodukte und Süßigkeiten. Konsumentinnen und Konsumenten geben sich vermehrt mit der Einheitsmassenware aus Backautomaten in Supermärkten und Discountern zufrieden. Nicht zuletzt wegen der Bequemlichkeit werden dabei Qualitätseinbußen in Kauf genommen. Die Wertschätzung gegenüber den Handwerksbäcker*innen, die in nächtlicher Stunde das Brot produzieren, ist dabei immer weiter gesunken. Über Jahrhunderte haben Bäcker*innen das Wissen der Brotherstellung gepflegt und verfeinert. Durch Zünfte und Innungen ist dieses Handwerk dann weiter aufgeblüht. Brotprüfer Thomas Backenstos merkt an, dass vielen Menschen die Arbeit des Bäckerhandwerks noch nicht bewusst sei.

„Wir flüstern noch und müssen lauter werden.“

Brotprüfer Thomas Backenstos

„Das Thema Brot hat durch Corona einen anderen Stellenwert bekommen“, so Backenstos. Während der Corona-Pandemie haben sich die Menschen mal selbst daran probiert, Brot zu backen. Viele haben es dann aber wieder aufgegeben, denn es ist gar nicht so einfach, gutes Brot zu backen, erzählt der Brotprüfer. Bei einem Pressetermin der Brotprüfung in der Bildungsakademie Singen betonen die Bäcker*innen und Brotprüfer*innen, was sie von der Industrie unterscheidet: Die knappen Zutatenlisten sowie die kurzen Wege für die Zutaten und den Verkauf. Die letzten zwei Jahre haben bei vielen Verbrauchern wieder das Bedürfnis nach qualitativ hochwertigen Lebensmitteln geweckt. Nicht umsonst sagen mehr als 80 Prozent der Deutschen, dass sie im Ausland ihr Brot vermissen – und dabei meinen sie bestimmt nicht das Brot aus den Backautomaten. Es ist also die beste Zeit für Bäckereibetriebe, ihre Brot- und Backwaren ins Rampenlicht zu stellen und deren Qualität an die Öffentlichkeit zu kommunizieren.

Gleiches gilt für den Beruf Bäcker*in, denn es gibt auch dort zahlreiche Möglichkeiten. Lebensmitteltechniker, duale Ausbildung Bäcker-Konditor, ein Studium der Lebensmitteltechnologie, all das sei nach der Bäckerlehre möglich, wie Ronny Vogel von der HWK in Bayreuth berichtet. Zudem werde vermehrt in Quereinsteigerinnen und Studienabbrecher*innen das Interesse am Handwerk geweckt, da sie plötzlich etwas mit ihren Händen machen wollen. Es gibt also einige Interessierte, die sich auf dem Stellenmarkt aufhalten. Jetzt liegt es an den Betrieben, sie für sich zu gewinnen.

Das Verschwinden von Bäckereien geht einher mit dem Verlust von Wissen und handwerklichem Können. Nun ist es für die gesamte Branche an der Zeit, den Menschen die Bedeutung des Handwerks wieder in das Bewusstsein zu rufen, um es in seiner einzigartigen Vielfalt für die Zukunft zu rüsten. Besonders jetzt, wo viele Konsumentinnen und Konsumenten die Qualität und Regionalität von Lebensmitteln als ihre Prioritäten setzen.


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